Big Data im Mittelstand: Chancen und Risiken

 
Die Digitalisierung sorgt branchenübergreifend für einen explosiven Anstieg der produzierten Datenmengen: Während im Jahr 2016 weltweit 16,1 Zettabyte (1 Zettabyte entspricht 10^21 Bytes) Daten generiert wurden, wird für das Jahr 2025, nach einer von Statista erhobenen Umfrage, eine Datenmenge von 163 Zettabyte prognostiziert1. Der Umgang mit ebendieser Datenflut ist längst kein reines Informatikthema mehr: Der Begriff „Big Data“, der im Allgemeinen für den gewaltigen Umfang der produzierten Daten steht, entwickelt sich aktuell weltweit zu einem kritischen Faktor in Unternehmen.

Nicht ohne Grund: Die individuelle Auswertung einer möglichst großen Menge an Daten bietet Unternehmen in allen Geschäftsbereichen die Möglichkeit, sich einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Konkurrenten zu sichern. Dieser kann beispielsweise in Form einer effizienteren Produktion (durch präzisere Ressourcenplanung) oder effektiveren Marketingmaßnahmen (durch die Erstellung detaillierter Kundenprofile) auftreten.

Das Thema Big Data betrifft jedoch nicht nur Großunternehmen und globale Player wie Google und Amazon: Einer aktuellen Studie zufolge halten 81 Prozent der befragten Führungskräfte des deutschen Mittelstandes den Einsatz von Big Data sowohl branchen- als auch unternehmensgrößenunabhängig für zentral wichtig. Zwölf Prozent greifen in ihrem täglichen Geschäft bereits auf Big Data-Technologien zurück2. Dabei ist der Einsatz selbstverständlich mit vielen Chancen, aber auch Risiken verbunden. In der heutigen Zeit lässt sich die Datenerhebung und –verarbeitung nicht mehr nur auf die Informatikbranche beschränken: Kundendaten, Produktionspläne und Mitarbeiterakten werden branchenunabhängig erzeugt und bedürfen einer den Datenschutzvorschriften angemessenen Speicherung und Verarbeitung.
Der Mittelstand in Deutschland Aktuell werden 58,5 Prozent aller Arbeitsplätze in Deutschland von mittelständischen Unternehmen gestellt3, die 35,3 Prozent des Gesamtumsatzes erwirtschaften4. 99,6 Prozent aller deutschen Unternehmen gehören dem Mittelstand an5.
Status Quo: Big Data im deutschen Mittelstand
Big Data – eine Definition Die Fachliteratur bietet unzählige Definitionen des Begriffs „Big Data“. Als Grundlage der gängigen Definitionen dient ein von Gartner im Jahr 2011 veröffentlichter Artikel, der dem Begriff Big Data spezifische Eigenschaften zuweist. Der Analyst Douglas Laney definiert diese wie folgt: „Big data is high volume, high velocity, and/or high variety information assets that require new forms of processing to enable enhanced decisionmaking, insight discovery and process optimization”9. Die Gesellschaft für Informatik beruft sich, ebenso wie der Deutsche Bundestag, in ihrer Definition ebenfalls auf die durch Laney definierten drei Dimensionen Volumen, Geschwindigkeit und Vielfalt10, deren Beherrschung als Ziel diverser Big Data Anwendungen gesehen wird11.
Da die Implementierung von Big Data ein aktuelles Thema mit stetig neuen Entwicklungen darstellt, werden in regelmäßigen Abständen Artikel und Studien zum momentanen Entwicklungsstand im deutschen Mittelstand veröffentlicht, welche sich in Umfang und Ergebnissen je nach Zeitpunkt und Fokussierung unterscheiden. Die im Frühjahr diesen Jahres erhobene Studie zum Thema „Rohstoff des 21. Jahrhunderts: Big Data, Smart Data – Lost Data?” beschreibt den aktuellen Stand der Beziehung des deutschen Mittelstandes und von Big Data6. Demnach hielten 81 Prozent der Befragten (rund 2000 Führungskräfte des deutschen Mittelstandes) den Einsatz von Big Data branchen- und unternehmensgrößenunabhängig für zentral wichtig, nur 12 Prozent jedoch nutzten Big Data-gestützte Technologien bereits für die Erfassung von Daten entlang ihrer Customer Journey. Während 18 Prozent der Unternehmen überdurchschnittlich viele Daten sammelten, zählten nur acht Prozent zu den sogenannten Smart-Data-Usern, welche einen hohen Nutzen aus den so erfassten Daten ziehen7. Gründe für die noch so niedrigen Anteile der Big Data-Nutzung sind, nebst fehlender Datenanalyse-Strategien und mangelndem Mitarbeiterwissen, Bedenken bezüglich Datenschutz und Datensicherheit8.
Die Chancen
Die durch Big Data mögliche Individualisierung verschiedenster Produkte in Losgröße 0 begünstigt eine deutliche Erhöhung der Kundenzufriedenheit, während die Möglichkeit zur Anreicherung bestehender Kundendatensätze vor allem neue Optionen in den Bereichen Marketing und Vertrieb eröffnet. Die zunehmende Vernetzung der Wertschöpfungskette sorgt, ebenso wie die durch die Verwendung von Big Data-Lösungen mögliche Optimierung von produktionsbeeinflussenden Faktoren, zu einer Verbesserung der Wirtschaftlichkeit der Produktion. Durch agilere Planungs- und Entscheidungsprozesse, zu denen die Unternehmen durch die Implementierung von Big Data, aber auch durch die Bestimmungen der DSGVO gezwungen sind, gestalten sich auch betriebsinterne Abläufe effizienter als zuvor. Da der allgemeine Prozess der Implementierung von Big Data in Deutschland ein Umdenken von Unternehmen, Branchen und Gesellschaft erfordert, bedingt er eine generelle Steigerung der Innovationskraft sowohl des Landes, als auch einzelner Unternehmen und Geschäftsfelder. Aber auch das Vertrauen der Verbraucher in den Schutz ihrer Daten muss sich ändern.
Die Risiken
Big Data und Digitalisierung Eine einfache Definition des Begriffs der Digitalisierung bietet ein Artikel der Fachzeitschrift „Informatik Spektrum“. Man spreche dann von Digitalisierung, „wenn analoge Leistungserbringung durch Leistungserbringung in einem digitalen, computerhandhabbaren Modell ganz oder teilweise ersetzt [werde]“12. Digitalisierung bezeichnet damit einen Prozess, der aktuell branchenübergreifend in Unternehmen stattfindet, während der Begriff „Big Data“ vereinfacht die große Menge an Daten bezeichnet, die (auch) im Zuge der Digitalisierung entsteht. Aufgrund der engen Verknüpfung der beiden Themenfelder werden die Begrifflichkeiten jedoch oft synonym verwendet.
Wer systematisch Daten sammelt, auswertet und verwaltet, macht sich so allerdings auch angreifbar. Hackerangriffe und Manipulationen können bei Unternehmen, die mit Big Data arbeiten, zu erheblichem Schaden führen. Die Sicherstellung geeigneter Datenschutz- und Datensicherheitsmaßnahmen gilt daher als elementar - ein Fehlen als große Risikoquelle. Außerdem besteht bei Verwendung von Big Data-Lösungen immer die Gefahr von Fehlinterpretationen ausgewerteter Daten, die im Schadensfall zu Fehlinvestitionen und -entscheidungen führen können. Die größte Gefahr, die mittelständischen Unternehmen bei der Implementierung jedoch droht, geht von ihren eigenen Mitarbeitern aus: Verfügen diese nicht über ausreichende Kompetenz, kann die Implementierung trotz generell guter Grundvoraussetzungen scheitern. Vollziehen gerade kleinere Mittelständler die Implementierung unvollständig oder halten sich, bewusst oder unbewusst, nicht an gesetzliche Vorgaben, droht ihnen ein Bußgeld, das gerade kleine Unternehmen in finanzielle Schwierigkeiten bringen kann. Wird die Implementierung aufgrund Angst vor ebendieser Abmahnung nicht vollzogen, entstehen dem Unternehmen hohe Opportunitätskosten.
Abschließendes Fazit
Abschließend lässt sich sagen, dass sich der deutsche Mittelstand aufgrund der Digitalisierung, aber auch aufgrund der fortschreitenden Implementierung von Big Data-Lösungen, in einer Phase des Umbruchs befindet. Sowohl Literatur, als auch Forschung und Gesetze sind derzeit sehr kurzlebig und veralten schnell. Das Inkrafttreten der DSGVO setzte den aktuellen Entwicklungen im Mai einen neuen rechtlichen Rahmen, doch es ist abzusehen, dass die Globalisierung bald eine weltweite Lösung fordern wird. Um das volle Potential von Big Data auszuschöpfen, muss zusätzlich ein Umdenken in der Gesellschaft und Wirtschaft erfolgen. Der deutsche Mittelstand hat, unter Beachtung der vorgestellten Chancen und Risiken, die besten Voraussetzungen, von der momentanen Entwicklung zu profitieren und seine starke Position im Weltmarkt dadurch langfristig zu sichern.
1Statista, 2018. Prognose zum Volumen der jährlich generierten digitalen Datenmenge weltweit in den Jahren 2016 und 2025 (in Zettabyte)
2Unternehmer Perspektiven, 2018. Unternehmer Perspektiven. [Online] Available at: https://www.unternehmerperspektiven.de/portal/media/unternehmerperspektiven/up-studien/2018_04_11_FL_whitepaper_UP_studie18002.pdf [Zugriff am 18 07 2018]
3Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, 2018. Erfolgsmodell Mittelstand. [Online] Available at: https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Dossier/politik-fuer-den-mittelstand.html [Zugriff am 29 06 2018]
4Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, 2018. Erfolgsmodell Mittelstand. [Online] Available at: https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Dossier/politik-fuer-den-mittelstand.html [Zugriff am 29 06 2018]
5Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, 2018. Erfolgsmodell Mittelstand. [Online] Available at: https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Dossier/politik-fuer-den-mittelstand.html [Zugriff am 29 06 2018]
6Unternehmer Perspektiven, 2018. Unternehmer Perspektiven. [Online] Available at: https://www.unternehmerperspektiven.de/portal/media/unternehmerperspektiven/up-studien/2018_04_11_FL_whitepaper_UP_studie18002.pdf [Zugriff am 18 07 2018]
7 Unternehmer Perspektiven, 2018. Unternehmer Perspektiven. [Online] Available at: https://www.unternehmerperspektiven.de/portal/media/unternehmerperspektiven/up-studien/2018_04_11_FL_whitepaper_UP_studie18002.pdf [Zugriff am 18 07 2018]
8KPMG, 2017. Mit Daten Werte schaffen - Studie 2017. [Online] Available at: https://home.kpmg.com/de/de/home/insights/2017/05/mit-daten-werte-schaffen---studie-2017.html [Zugriff am 18 07 2018]
9Laney, D., 2001. 3D Data Management: Controlling Data Volume, Velocity, and Variety. Application Delivery Strategies, META Group, 06 Februar
10Klein, D., Phuoc, T.-G. & Matthias, H., 2013. Gesellschaft für Informatik: Lexikon. [Online] Available at: https://gi.de/informatiklexikon/big-data/ [Zugriff am 26 06 2018]
11Meier, A., 2017. Werkzeuge der digitalen Wirtschaft: Big Data, NoSQL & Co.: Eine Einführung. Heidelberg: Springer Gabler Verlag
12Wolf, T. & Strohschen, J.-H., 2018. Digitalisierung: Definition und Reife. Informatik Spektrum